Führungskräfte wünschen sich von ihren Mitarbeitern zu Recht Problemlösungskompetenz. Die Haltung, Mitarbeiter in die Lösung von Problemen einzubinden - oder noch besser, die Mitarbeiter die Lösung selbst finden zu lassen – hat grundsätzlich viele Vorteile. Sie zeigt Wertschätzung für die Kompetenz der Mitarbeiter und sie ist wesentlicher Treiber für die Entwicklung der Mitarbeiter, die an ihren Aufgaben und vor allem an den gelösten Problemen wachsen sollen. Schöner Nebeneffekt für die Führungskraft: Sie wird selbst entlastet, weil ein Teil der Probleme eben schon von den Mitarbeitern abgefangen und gelöst werden und gar nicht bis zur Führungskraft durchdringen.
Die Realität sieht allerdings oft anders aus. Viele Führungskräfte stellen fest, dass nach ihrem Empfinden viel zu oft Mitarbeiter zu ihnen kommen mit einem Problem ohne dafür einen Lösungsvorschlag mitzubringen.
Die Gründe dafür können sehr unterschiedlich sein. Einige Mitarbeiter beherrschen die Rückdelegation oder die Aufwärtsdelegation von Problemen perfekt und nehmen auf diesem Wege die Führungskraft in die Pflicht. Gleichzeitig entlasten sie sich damit von der Verantwortung. Das Thema liegt ja jetzt beim Chef. Soll der sich drum kümmern, dafür ist er ja der Chef.
Andere Mitarbeiter trauen sich einfach nicht – selbst wenn sie eine Idee zur Lösung haben – diese gleich mitzuliefern, denn vielleicht sind sie nicht sicher, ob die Lösung wirklich passt oder sie wissen oder vermuten vielleicht auch nur, dass der Chef die Lösung nicht gut findet. Manchmal liegt es auch daran, dass sich die Führungskräfte sogar insgeheim gut fühlen, wenn Mitarbeiter mit einem Problem ohne Lösung zu ihnen kommen, denn dann können sie ihre Kompetenz und ihren Expertenstatus voll ausspielen und fühlen sich in ihrer Expertenrolle bestätigt. Manchmal ist es aber auch so, dass zwar das Problem erkannt ist aber dem Mitarbeiter tatsächlich keine Lösung einfällt.
Einige Führungskräfte meinen nun, sie können ihre Mitarbeiter ganz leicht zur Lösungskompetenz „erziehen“ indem sie die Regel ausgeben: „Meine Tür steht immer offen. Wer ein Problem hat, kann jederzeit zu mir kommen, aber ich erwarte, dass auch wenigstens ein Lösungsvorschlag präsentiert wird.“
Mit dieser Herangehensweise machen es sich die Führungskräfte zu einfach, denn sie bauen – wenn auch in bester Absicht – erheblichen Druck bei ihren Mitarbeitern auf. Wird dieser Druck dazu führen, dass die Mitarbeiter, die bislang keine eigenen Lösungsvorschläge zum Problem mitgeliefert haben, nun plötzlich zu jedem Problem auch eine einigermaßen sinnvolle Lösungsidee haben? Natürlich nicht! Die Vorgabe wird dazu führen, dass die Mitarbeiter einfach nicht mehr zum Chef gehen, wenn sie keine Lösung haben. Sie werden die Probleme bei anderen platzieren, versuchen, sich den Rücken freizuhalten und es gar nicht als „ihr“ Problem sehen oder einfach hoffen, dass sich das Problem irgendwie von alleine löst oder von jemand anderem angesprochen wird. Die Führungskraft fühlt sich womöglich sogar bestätigt, wenn anschließend weniger Probleme bei ihr landen. Aber dies geschieht nicht, weil die Mitarbeiter mehr Probleme lösen sondern einfach weniger Probleme angesprochen werden.
Lösungskompetenz bei Mitarbeitern muss stufenweise und im offenen und direkten Gespräch Schritt für Schritt aufgebaut werden und kann nicht durch eine einfache Anweisung „Kein Problem ohne Lösung“ angewiesen werden.
Die Führungskraft muss ihre Mitarbeiter ermutigen, mit Problemen zu ihr zu kommen, sich die Probleme anhören und dann je nach Sachlage entscheiden, wie mit diesem Problem umzugehen ist. Einige Probleme wird die Führungskraft übernehmen und vielleicht selber lösen müssen, andere Probleme kann sie zur Lösung beim Mitarbeiter belassen. Sie kann den Mitarbeiter ermutigen, mit Kollegen darüber zu sprechen oder verschiedene alternative Lösungsvorschläge erarbeiten. Vielleicht macht es auch Sinn, dass sich Mitarbeiter und Führungskraft gemeinsam um ein Problem kümmern oder Führungskraft und Mitarbeiter vereinbaren, was erforderlich ist, damit Probleme bestimmter Art zukünftig durch den Mitarbeiter selbst gelöst werden können. Vielleicht braucht es ja den Aufbau von Know-How oder die Erweiterung der Kompetenzen oder Verantwortlichkeiten des Mitarbeiters.
So festigt die Führungskraft nach und nach in einem laufenden Prozess die Problemlösungskompetenz ihrer Mitarbeiter durch jeweils fallbezogenen offenen Dialog. Das ist zwar am Anfang etwas zeitaufwendiger aber zahlt sich durch die nachhaltige Verlagerung der Problemlösungskompetenz auf die Mitarbeiter später doppelt aus.
Zum Thema des Aufbaus von Problemlösungskompetenzen bei Mitarbeitern heute die folgenden fünf Fragen zur Reflektion:
1. Wie ist die Problemlösungskompetenz in meinem Verantwortungsbereich verteilt?
2. Was wünsche ich mir von meinen Mitarbeitern in diesem Thema?
3. Wie reagiere ich auf ein Problem ohne Lösung?
4. Was kann ich tun, damit ich weniger Probleme selber lösen muss?
5. Was wünschen sich meine Mitarbeiter in dem Thema von mir?
Wie immer wünsche ich viel Glück und Erfolg bei allem, was Sie tun.
Ihr Frank Bönning
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